Aufgeschnappt: ein TAZ Kommentar zu Syrien

Das ist Deutschland im Jahre 2013: Alle im Bundestag vertretenen Parteien sind gegen einen Militärschlag in Syrien. Und Politik und Medien fördern mehrheitlich den Eindruck, es sei gar nicht erwiesen, dass am 21. August überhaupt Chemiewaffen in Syrien zum Einsatz kamen.
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Dabei ist es eigentlich ganz einfach. Mit Waffensystemen, über die nur Syriens Regierungsarmee verfügt, wurde aus Regierungsgebiet auf Rebellengebiet gefeuert. Unzählige Menschen starben in den nächsten Stunden, viele Todesfälle wurden im Bild festgehalten mit eindeutigen Symptomen. Die syrische Regierung dementierte erst jeden Einsatz und ließ das Zielgebiet großflächig bombardieren, bevor sie schließlich drei UN-Inspektoren hineinließ, denen auf Betreiben Russlands zuvor die Befugnis zur Täterermittlung aus dem Mandat gestrichen worden war. Der Einsatz entspricht dem klassischen Imponierreflex von Gewaltherrschern: Je stärker man ist, desto mehr Stärke zeigt man.
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Aber in Deutschland ist es heutzutage salonfähig, die Abwesenheit von Moral in der Politik für eine Tugend zu halten. „Besonnenheit“ nennt man das. Vermutlich hielt sich Angela Merkel für besonnen, als sie in St. Petersburg ihre Unterschrift verweigerte. Einen Tag später unterschrieb die Bundesregierung doch – unter Verweis auf die EU. An inhaltlichen Bedenken kann es nicht gelegen haben.
Wen soll man wählen, wenn man sich damit nicht abfindet? CDU/CSU und FDP, die sich 2011 dem Schutz der Libyer verweigerten und die 2013 zu Syrien mahnen, man müsse „abwarten“? Die SPD, deren letzter Kanzler Putin als „lupenreinen Demokraten“ lobte und deren Spitzenkandidat jetzt zugibt, ihm falle zu einer Lösung in Syrien nichts ein? Die Linken, die sich schützend vor alle US-Feinde werfen und Völkerrecht mit Vetorecht verwechseln? Die Grünen, die ihre Vordenker des humanitären Interventionismus in die Wüste geschickt haben und sich von „Nie wieder Auschwitz“ auf „Veggieday“ zurückziehen?
Die Deutschen haben die Wahl.

Dominic Johnson Deutsche Syrienpolitik – Nichtstun? Oder lieber nichts tun?

Veröffentlicht in ZOMG